Das Erbbaurecht ist eine besondere Form der Grundstücksnutzung, bei der Sie ein Grundstück nicht kaufen, sondern es gegen eine regelmäßige Zahlung – den Erbbauzins – pachten. Dadurch wird Ihnen das Recht eingeräumt, auf diesem Grundstück ein Gebäude zu errichten und zu nutzen. Diese Option kann äußerst attraktiv sein, vor allem wenn Sie eine Immobilie errichten möchten, ohne das Grundstück sofort kaufen zu müssen.
Das Erbbaurecht ist im deutschen Recht ein dingliches Recht, das durch einen sogenannten Erbbaurechtsvertrag begründet wird. Hierbei gestattet der Grundstückseigentümer (oft Gemeinden, Stiftungen oder Kirchen) einer anderen Person – dem Erbbaurechtsnehmer –, das Grundstück in der Regel über einen sehr langen Zeitraum (beispielsweise 50 bis 99 Jahre) zu bebauen und zu nutzen.
Als Gegenleistung zahlt der Erbbaurechtsnehmer einen Erbbauzins. Dieser Prozentsatz berechnet sich unter anderem nach dem Bodenwert und wird meist regelmäßig (jährlich oder vierteljährlich) fällig. Das Eigentum am Gebäude liegt bei Ihnen als Erbbaurechtsnehmer, während das Eigentum am Grundstück weiterhin beim Erbbaurechtsgeber verbleibt.
Das Erbbaurecht hat eine lange Tradition. Bereits im Mittelalter wurde Grundbesitz gegen Abgaben zur Nutzung überlassen. In Deutschland hat sich diese Rechtsform besonders seit der Weimarer Republik etabliert, um breiteren Bevölkerungsschichten den Zugang zu Bauland und Wohneigentum zu ermöglichen, ohne einen hohen Kaufpreis für das Grundstück aufbringen zu müssen. Auch heute noch setzen viele Kommunen und kirchliche Einrichtungen auf das Erbbaurecht, um ihre Flächen langfristig zu behalten, dabei aber einer sinnvollen Nutzung zuzuführen.
Beim Erbbaurecht treten in der Regel zwei Hauptparteien auf:
In manchen Fällen können Dritte eingebunden sein, zum Beispiel Banken für die Finanzierung oder Notare zur Beurkundung des Erbbaurechtsvertrags.
Mit Abschluss eines Erbbaurechtsvertrags gehen beide Parteien vertragliche Verpflichtungen ein. Der Erbbaurechtsgeber verpflichtet sich, das Grundstück für die Dauer der Laufzeit zu überlassen. Im Gegenzug erhält er den vereinbarten Erbbauzins. Außerdem kann er den Umfang der Bebauung und Nutzung im Vertrag festlegen (beispielsweise die Art des Gebäudes, den Verwendungszweck oder besondere Nutzungsbedingungen).
Der Erbbaurechtsnehmer hat das Recht, das Grundstück wie vereinbart zu bebauen und zu nutzen, wobei er baurechtliche Vorschriften und gegebenenfalls zusätzliche vertragliche Auflagen einhalten muss. Er trägt die Kosten für den Bau und die Unterhaltung des Gebäudes sowie alle öffentlichen Abgaben, die durch die Bebauung entstehen (zum Beispiel Grundsteuer, Anschlussgebühren, Müllabfuhrkosten).
Ein Erbbaurechtsvertrag wird in der Regel auf 50 bis 99 Jahre abgeschlossen. Nach Ablauf dieser Zeit kann das Recht verlängert werden, sofern beide Parteien sich einig sind. Eine rechtliche Verpflichtung zur Verlängerung besteht jedoch nicht immer. Häufig sehen Verträge bereits Optionen zur Verlängerung vor, die unter bestimmten Bedingungen greifen.
Wenn keine Verlängerung vereinbart wird, kehrt das Eigentum am Gebäude mit Ablauf der Erbbaurechtszeit an den Erbbaurechtsgeber zurück. In vielen Fällen ist jedoch eine Entschädigung für das Gebäude vorgesehen. Diese Entschädigung orientiert sich oft am Verkehrswert des Gebäudes – allerdings kann sie vertraglich auch anders geregelt sein, weshalb ein genauer Blick in den Vertrag essenziell ist.
Ein zentraler Aspekt beim Erbbaurecht ist die Finanzierung der Baukosten. Da das Grundstück im Eigentum des Erbbaurechtsgebers bleibt, fragen sich viele, ob Banken die Immobilie dennoch als Sicherheit akzeptieren. In der Praxis stehen manche Banken einem Erbbaurecht etwas skeptischer gegenüber als einem klassischen Grundstückserwerb. Dennoch ist eine Finanzierung meist möglich, sofern der Erbbaurechtsvertrag bankübliche Sicherheiten erlaubt und alle notwendigen Eintragungen im Grundbuch erfolgen können.
Für die Bank ist insbesondere relevant, dass das Erbbaurecht im Grundbuch an erster Rangstelle gesichert ist, damit sich die Bank im Ernstfall auf einen gesicherten Anspruch verlassen kann. Zudem beeinflusst die verbleibende Restlaufzeit des Erbbaurechts die Entscheidung, da bei einer nur noch kurzen Restlaufzeit die Wahrscheinlichkeit einer Finanzierung sinkt.
Das Erbbaurecht bietet einige handfeste Vorteile, vor allem für Personen, die sich den Kauf eines Grundstücks nicht auf einen Schlag leisten können oder möchten:
Neben den Vorteilen sollten Sie auch die Nachteile berücksichtigen:
Der Erbbauzins wird in der Regel als Prozentsatz vom Bodenwert berechnet. Liegt der Zinssatz beispielsweise bei 4 Prozent und das Grundstück hat einen Wert von 100.000 Euro, so zahlen Sie jährlich 4.000 Euro an Erbbauzins. Oft kann dieser Zinssatz im Vertrag angepasst werden, zum Beispiel wenn sich der Bodenrichtwert oder der allgemeine Zinsmarkt verändert. Hier ist es wichtig, die Anpassungsklauseln genau zu prüfen, damit es nicht zu unangenehmen Kostensteigerungen kommt.
Zusätzlich fallen beim Abschluss des Erbbaurechtsvertrags Notar- und Grundbuchkosten an. Möglicherweise wird auch eine Grunderwerbsteuer auf den Erbbaurechtsvertrag fällig, wenn das Erbbaurecht käuflich erworben wird. In der Regel richtet sich das nach der jeweiligen Landesgesetzgebung und den vertraglichen Details. Es ist ratsam, dies im Vorfeld genau zu prüfen.
Um ein Erbbaurecht zu begründen, sind mehrere Schritte erforderlich:
Nach Abschluss dieser Schritte sind Sie offizieller Erbbaurechtsnehmer und können Ihr Bauvorhaben umsetzen. Bedenken Sie, dass Änderungen am Gebäude oder eine Erweiterung der Nutzungsart oftmals erneut der Zustimmung des Erbbaurechtsgebers bedürfen. Dies sollten Sie vor größeren Umbaumaßnahmen oder Nutzungsänderungen in Erfahrung bringen.
Wer ein Erbbaurecht in Betracht zieht, sollte den Vertrag genau prüfen und mit dem Erbbaurechtsgeber verhandeln, damit alle entscheidenden Punkte geklärt sind:
Beim Erbbaurecht spielen auch steuerliche Fragen eine Rolle. Grundsteuer fällt in der Regel für den Erbbaurechtsnehmer an. Je nach Bundesland und Vertragsgestaltung kann auch die Grunderwerbsteuer eine Rolle spielen, insbesondere wenn das Erbbaurecht käuflich erworben wurde. Hier empfiehlt sich eine frühzeitige Klärung mit einem Steuerberater.
Auch das Thema Vererbung und Schenkung sollte nicht außer Acht gelassen werden. Grundsätzlich kann das Erbbaurecht vererbt oder verschenkt werden – vorbehaltlich etwaiger vertraglicher Einschränkungen. Der Wert des Erbbaurechts fließt in die Bemessungsgrundlage für Erbschaft- oder Schenkungsteuer ein. Deshalb lohnt es sich, in diesem Bereich bei größeren Vermögenswerten ebenfalls professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen.
In der Praxis kursieren einige Fehlannahmen über das Erbbaurecht. Zu den häufigsten zählen:
Eine umfassende Information und individuelle Beratung helfen dabei, diese Missverständnisse zu vermeiden. So können Sie vorab prüfen, ob das Modell des Erbbaurechts wirklich zu Ihrem Vorhaben passt.
Ob das Erbbaurecht, ein klassischer Grundstückskauf oder eine Mietwohnung die bessere Wahl ist, hängt von Ihren persönlichen Zielen und finanziellen Möglichkeiten ab. Der Kauf eines Grundstücks bietet Ihnen das volle Eigentum, ist aber teurer in der Anschaffung. Die Miete hingegen bietet zwar Flexibilität, führt aber nicht zum Eigentum am Wohnraum.
Das Erbbaurecht stellt einen Mittelweg dar: Sie können sich den teuren Grundstückskauf sparen, haben aber in der Regel eine langfristige Bindung an den Erbbaurechtsgeber. Vor der Entscheidung lohnt ein Kosten-Nutzen-Vergleich. Dabei sollten Sie die Gesamtkosten (Erbbauzins über die gesamte Laufzeit) dem Kaufpreis eines vergleichbaren Grundstücks gegenüberstellen.
Wichtige Vertragsklauseln betreffen die Ablöse oder Verlängerung und den Heimfall. Dieser Begriff beschreibt das Recht des Erbbaurechtsgebers, das Erbbaurecht zurückzufordern, wenn bestimmte vertraglich geregelte Gründe auftreten (zum Beispiel Zahlungsrückstand beim Erbbauzins oder massive Pflichtverletzungen). Dies ist jedoch eher die Ausnahme und setzt in der Regel schwere Verstöße gegen den Vertrag voraus.
Kommt es zum regulären Ablauf der Erbbaurechtszeit, kann vertraglich eine Verlängerungsoption bestehen. Ist sie nicht vereinbart, hängt die Verlängerung vom Verhandlungsgeschick und dem Interesse beider Parteien ab. Eine einvernehmliche Einigung ist hier häufig die beste Lösung, insbesondere wenn das Gebäude weiterhin genutzt werden soll. Kann keine Einigung erzielt werden, kehrt das Gebäude an den Erbbaurechtsgeber zurück, wobei eine Entschädigungszahlung für das Bauwerk üblich ist.
Wer sich für ein Erbbaurecht interessiert, findet Angebote auf Immobilienportalen, in lokalen Zeitungen und manchmal direkt bei Kirchengemeinden oder Stiftungen. Dort werden freie Erbbaugrundstücke ausgeschrieben. Es empfiehlt sich, bei der Suche die Restlaufzeit, den Erbbauzins, den Zustand des Grundstücks und mögliche Auflagen (z.B. Denkmalschutz, Bebauungsplan) im Blick zu haben.
Wenn Sie eine bestehende Immobilie mit Erbbaurecht kaufen möchten, beachten Sie, dass Sie nicht nur das Gebäude, sondern auch die Vertragskonditionen „mitübernehmen“. Deshalb sollten Sie unbedingt Einsicht in den Erbbaurechtsvertrag nehmen und prüfen, ob alle Konditionen für Sie akzeptabel sind.
In vielen Fällen ist der Erbbaurechtsgeber eine Institution (z.B. Kirche, Gemeinde, Stiftung). Ihre Argumentationsspielräume bei privaten Anbietern können etwas größer sein als bei öffentlichen Körperschaften, die oft strenge Richtlinien haben. Dennoch gibt es wichtige Punkte, die Sie bei jeder Verhandlung berücksichtigen können:
Das Erbbaurecht ist eine interessante Alternative zum klassischen Grundstückskauf. Es ermöglicht Ihnen, Eigentümer eines Gebäudes zu werden, ohne den Boden zu erwerben. Der Erbbauzins ist dabei eine langfristige Belastung, bietet jedoch oft finanzielle Entlastung in der Anfangsphase. Durch die meist langen Laufzeiten ist das Modell ideal für Menschen, die eine dauerhafte Wohn- oder Gewerbenutzung anstreben, jedoch das notwendige Kapital für den Grundstückskauf scheuen.
Wer sich für ein Erbbaurecht entscheidet, sollte den Vertrag genau prüfen, mögliche Kostensteigerungen einkalkulieren und sich darüber bewusst sein, dass am Ende der Laufzeit keine automatische Verlängerung garantiert ist. Mit einer sorgfältigen Planung, einer soliden Finanzierung und einer guten Verhandlungsstrategie kann das Erbbaurecht dennoch eine sehr attraktive Option sein, um im Immobilienbereich Fuß zu fassen.
In der Regel kann das Erbbaurecht verlängert werden, wenn beide Parteien sich einig sind. Ist keine Verlängerung vorgesehen und wird keine Einigung erzielt, fällt das Gebäude an den Erbbaurechtsgeber. Üblicherweise erhält der Erbbaurechtsnehmer dann eine Entschädigung für das Bauwerk, meist bemessen am Verkehrswert.
Grundsätzlich ja, denn Sie sind Eigentümer des Gebäudes. Allerdings muss der Erbbaurechtsgeber meist zustimmen. Zudem übernehmen Kaufinteressenten Ihren bestehenden Erbbaurechtsvertrag, was den Verkauf etwas komplexer macht als bei Immobilien mit klassischem Grundstückseigentum.
Das hängt von den Umständen ab. Wird das Erbbaurecht erstmalig bestellt, kann die Grunderwerbsteuer anfallen. In anderen Fällen, etwa bei der Verlängerung eines bestehenden Rechts, kann sie entfallen. Es kommt stets auf die individuellen Vertragskonditionen und die Landesgesetzgebung an. Eine genaue Prüfung oder eine Beratung durch einen Steuerberater lohnt sich.
Der Erbbauzins basiert oft auf dem Bodenwert und wird vom Erbbaurechtsgeber festgelegt. In vielen Fällen ist dieser Wert verhandelbar, insbesondere dann, wenn es Spielraum bei der Einschätzung des Grundstückswerts gibt. Auch Anpassungsklauseln für die Zukunft können vereinbart werden.
Sie benötigen in der Regel den Erbbaurechtsvertrag, einen Auszug aus dem Grundbuch, Baupläne und gegebenenfalls weitere Dokumente zum Gebäude (Energieausweis, Baubeschreibung usw.). Die Bank möchte sicherstellen, dass sie bei einer Finanzierung abgesichert ist und keine juristischen Hindernisse vorliegen.
Beides ist möglich. Für Wohnimmobilien bietet sich das Erbbaurecht häufig an, wenn das Budget knapp ist. Auch bei Gewerbeprojekten kann es attraktiv sein, denn so wird Kapital für das operative Geschäft geschont. Letztlich kommt es aber immer auf den konkreten Standort, die Erbbauzinsen und die Laufzeit an.
Die Notarkosten richten sich, wie bei anderen Grundstücksgeschäften, nach der Gebührenordnung und dem Vertragswert. Da beim Erbbaurecht oft der Wert des Erbbauzinses und des Bauwerks berücksichtigt werden, können die Kosten variieren. In der Regel sind sie jedoch vergleichbar mit denen einer Grundstücksübertragung.
Mit umfassender Planung und einem klaren Blick auf alle Vertragsdetails können Sie feststellen, ob das Erbbaurecht für Ihre Bedürfnisse ideal ist. Es bietet Chancen, erfordert aber auch gründliche Überlegungen. Ziehen Sie bei Bedarf Expertinnen und Experten wie Rechtsanwälte, Steuerberater oder Immobilienfachleute hinzu, um die für Sie bestmögliche Entscheidung zu treffen.
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